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Bunter Barcode ersetzt Beipackzettel

Jeder kennt ihn: den Strichcode. Die Strich- oder Quaderanordnung begegnet uns in zahlreichen Bereichen des Alltags, doch nur selten wird Notiz von diesem Datenhort im Miniformat genommen. Dass solch ein Code nicht nur der Datenerfassung im Supermarkt oder dem Paketversand dient, stellt das Fraunhofer-Institut unter Beweis: Die unbeliebten, unübersichtlichen und unverständlichen Beipackzettel, wie man sie als Beilage in jeder Arznei findet, sollen in Zukunft durch einen neuen bunten Barcode ersetzt werden. Was hinter dem „digitalen Hinweisschild“ steckt, verraten wir Ihnen hier.

In der Farbe liegt die Kraft

Bisheriges Problem vieler Barcodes: Die Anordnung der Muster in Strichen (Strichcode) oder Rechtecken (QR-Code) bietet wenig Gestaltungsoptionen, sodass lediglich Informationen mit geringer Dichte in den Codes eingebunden werden können. Eine Lösung will nun die Abteilung Sichere Informationstechnologie (SIT) des Fraunhofer-Instituts gefunden und entwickelt haben: Künftig sollen die Codes nicht mehr zweifarbig (Schwarz-Weiß), sondern mehrfarbig konzipiert sein. Werden zum Beispiel acht Farben verwendet, steigt die Informationsdichte der Codierung um das Dreifache.

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Einen Namen für die bunte Revolution haben die Münchener Entwickler ebenfalls gefunden: Just Another Barcode, kurz JAB, soll die Speichertechnik lauten und künftig in allerlei Bereichen zum Einsatz kommen. Entwickelt wurde die neue Möglichkeit der Datenerfassung für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und sollte ursprünglich internen Autorisierungsfunktionen dienen. Da ein bunter Barcode jedoch auch für den Otto-Normal-Verbraucher Vorteile mit sich bringt, ist eine Ausweitung des Konzepts geplant.

Das Projekt JAB dürfen Interessierte bereits online testen: Unter der JAB-Code-Webseite können kostenlos Texte in eine mehrfarbige Matrixform codiert werden. Dieser steht kostenlos zum Download bereit und kann sowohl mit einem gewerblichen Scanner als auch mit dem Handy und einer passenden App ausgelesen werden. Der simple Vorgang zeigt: Die Technik ist bereits ausgereift und serientauglich; ein bunter Barcode könnte uns schon bald an vielen Orten begegnen. Der Ersatz vom Beipackzettel gehörte zu einer der Leitideen des Fraunhofer-Instituts.

Bunter Barcode im Alltag

Ein bunter Barcode kann allerlei Information übertragen: Der Ersatz von Beipackzettel & Co. stellt nur einen von vielen denkbaren Nutzen dar. Insbesondere in der Pharmazie sieht das SIT jedoch einen stark verbraucherorientierten Vorteil. Denn dank der neuen Datenerfassung darf nicht nur der lästige und schnell entsorgte Beipackzettel ersetzt werden: Das mehrfarbige Analyseverfahren soll neue Verifizierungsfunktionen ermöglichen, sodass der zunehmenden Medikamentenfälschung vorgebeugt werden kann.

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Für die Erstellung des neuen Informationsträgers bedarf es keine ausgefeilte Technik und der Nutzer (Händler sowie Patient) kann die Originalität des Produkts mit einem schlichten Smartphone überprüfen. Auf dem Bildschirm ließen sich diverse Informationen über das Produkt aufrufen, im Beispiel Medikament etwa Hinweise über Einnahme und Verträglichkeit. Aus der Miniaturschrift wird per Zweifingerzoom ein leserfreundlicher Text in Standardgröße. Bei Bedarf können außerdem Links in die Codierung eingefügt werden, sodass der Nutzer zum Beispiel auf Webseiten gelangt und sich dort Tutorials (Erklärvideos) anschauen kann. Diese Möglichkeit bietet bereits der klassische Barcode. Die bunte Neuauflage erweitert diese Übertragungsoption jedoch um ein entscheidendes Merkmal: Dank der erhöhten Informationstiefe, die nun nicht mehr einzig und allein auf der X- und Y-Achse basiert, können zahlreiche Daten ohne Einbindung ins World Wide Web übermittelt werden. Sämtliche Informationen sind in der Codierung enthalten! Der Nutzer bedarf demnach nur noch einen Scanner beziehungsweise Smartphone ohne Internetverbindung!

Junge Frau an der Theke mit Barcode Scanner
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Hinzu kommt, dass eine Codierung in Eigenregie möglich ist: Hat JAB Erfolg, können zum Beispiel Aufenthaltsbestätigungen auch außerbehördlich erstellt werden. Die nächste Stufe sähe die Integration der Generierungsdaten vor: Die gedruckten „Smart-Tags“ könnten dem Lesegerät nicht nur Informationen über das Produkt, sondern auch über den Code-Erzeuger geben. Wo und wann der Code erstellt wurde, könnte beispielsweise dank GPS-Analyse festgestellt werden.

Über den Beipackzettel hinaus

Selbstverständlich dürfen die bunte Datenspeicherung und Datenerfassung nicht nur in der Medizin als Ersatz von Beipackzettel angewendet werden: Dokumente sowie Produkte, die häufig gefälscht werden, könnten in Zukunft von Hersteller, Behörden und sogar Privatpersonen schnell und bequem verifiziert werden. Bisweilen erhalten Dokumente wie zum Beispiel der Personalausweis ähnliche Identifikationsfunktionen, doch im Gegensatz zum bunten Code im Matrixformat sind die althergebrachten Techniken an kostspielige Scansysteme gebunden.

Ein JAB-Dokument könnte zu jeder Zeit und an jedem Ort verifiziert werden. Vorausgesetzt, die farbenfrohe Neuheit wird in der Gemeinschaft von Industrie, Logistik und Hersteller akzeptiert.

Bevor der Startschuss für JAB erfolgen kann, muss dieser zu einer gültigen DIN-Norm erklärt und in den Kreis internationaler ISO-Standards aufgenommen werden. Das Fraunhofer-Institut empfiehlt die Kombination mit einem weiteren Nahfunkchip. Dieser dürfte der Manipulation vorbeugen. Schließlich wäre es möglich, den Druck von einer Originalware zu entfernen und auf einer Fälschung anzubringen. Denkbar wäre der Einsatz eines RFID-Chips. Diese Nahfunktechnik [RFID im Einzelhandel – Chancen und Anwendung von Radio Frequency Identification] gilt als ein weiterer Meilenstein in der (mobilen) Datenerfassung und soll in wenigen Jahren das Katalogisieren großer Warenmengen revolutionieren. Scanner müssen nicht mehr jedes Produkt einzeln erfassen, sondern können Hunderte Artikel „in einem Rutsch“ sichten. Dass sich das Projekt JAB in vielerlei Hinsicht lohnt, macht ein Blick auf die Summen, die Hersteller verschiedenster Produkte jährlich durch Plagiate abschreiben müssen, deutlich: Der Schaden durch Produktfälschungen soll alleine auf dem deutschen Markt satte 50 Milliarden Euro pro Jahr betragen!

Lagerarbeiter mit Barcodescanner
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Produkte, welche über das Internet gehandelt wurden, sind in diese Rechnung nicht eingeschlossen! Überdies ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Hinzu kommt, dass JAB nicht nur der Wirtschaft zugutekommt: Die Umwelt wird mit der neuen Datenerfassung ebenfalls geschont, denn der Produktion von Gebrauchsanleitungen und Hinweisschildern fallen jedes Jahr abertausende Bäume zum Opfer. Hinzu kommt, dass durch den digitalen Produktausweis die CO2-Bilanz sinkt!

Kleine Haken

Ungeachtet aller Vorteile, die ein bunter Barcode offenbart: Zwei Kritikpunkten müssen sich die Entwickler von JAB stellen. Erstens besteht die Gefahr, dass der Farbcode verblasst. Dies geschieht selten bei Exemplaren, die aus hochwertigen Industriedruckern gelangen und mitunter durch Schutzfolien gestärkt sind, doch der Drucker wie er im heimischen Office steht, nutzt weder Spezialtinte noch Langzeitpapier. Wer also selbst bunte Barcodes entwickeln und verbreiten will, sollte nur kurzfristige Verwendungszwecke anvisieren. Zudem bleibt die Frage, wie es um jene gestellt ist, die nicht auf ein Smartphone zugreifen können oder möchten. Derweil nutzen laut einer Umfrage des Portals Statista rund 58 Millionen Menschen (2017: 57 Millionen) die kleinen Alleskönner – Tendenz steigend.

Senior liest Medikamenten Beipackzettel
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Insbesondere ältere Menschen sind mit Touchscreen, App-Store und Scanner allerdings noch nie in Berührung gekommen. Da Medikamente in dieser Altersgruppe häufig zum Alltag gehören, könnte der getilgte Beipackzettel für verheerende Unwissenheit (Stichwort Medikamentencocktail) sorgen. Dennoch gilt der Abschied vom Schwarz-Weiß-Konzept als wahrscheinlich. Beispielsweise birgt die Verwendung bunter Codes die Möglichkeit, große Datenmengen auch ohne Internetverbindung aufrufen zu können, einen immensen Vorteil gegenüber dem klassischen Strich- und QR-Code.

Übrigens: Einen ähnlichen Versuch wie das Fraunhofer-Institut startete Microsoft vor wenigen Jahren mit dem Projekt „Microsoft Tag“.

Die dreieckigen Modelle sollten ein Gegengewicht zu den klassischen Strichcodes darstellen, konnten sich angesichts ihres geringen Innovationsgehalts jedoch nicht durchsetzen – 2015 gab Microsoft die angestrebte Revolution auf.

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